Interview: Wann & warum eignen sich Wanderausstellungen?

Ein Gespräch mit Ausstellungsgestalterin Christin Grabner über Wanderausstellungen.

Mit den Wanderausstellungen „Gewaltschutz on Tour: 40+1 Jahre Frauenhäuser“ und „Über die Alpen: Entdecken, Schätzen, Leben!“ für die Alpine Convention hat look! design erst kürzlich zwei Projekte realisiert, die für eine bestimmte Zeit durch vordefinierte Regionen reisten.

Wann und warum Wanderausstellungen besonders geeignet sind, welche Herausforderungen diese mit sich bringen und welche Überlegungen im Vorfeld wichtig sind, haben wir im Gespräch mit Ausstellungsgestalterin Christin Grabner erfragt.

Ein Teil des Projektteams bei der Eröffnung der Wanderausstellung „Gewaltschutz on Tour“: v.l.n.r. Christin Grabner (Konzept & Gestaltung), Ute Hofmann (Projektleitung) und Björn Münnich (Texte) | Foto: look! design

Wann macht es Sinn, eine Ausstellung als Wanderausstellung umzusetzen?

Christin Grabner: Wenn es um ein Thema geht, das in einer größeren Region relevant ist, ist eine Wanderausstellung ein sehr sinnvolles Kommunikationsmittel. Wandernde Ausstellungen kommen zu den Menschen – meistens sind sie als sehr niederschwelliges Angebot angelegt.

Bei der Ausstellung der Alpine Convention zum Beispiel war das Ziel, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen, um die Alpine Convention und ihre Tätigkeiten sichtbar zu machen. Hier gab es zu Beginn den Wunsch, einen Flur im 1. Stock am Bürostandort in Innsbruck zu bespielen. Nachdem aber vor allem Menschen erreicht werden sollten, die die Alpine Convention noch nicht kennen, haben wir nahegelegt „rauszugehen“ – und zwar direkt auf Plätze in den Stadt- bzw. Ortszentren.

Das Biwak und die bunten „Side Elements“ waren an fünf Standorten in Tirol zu sehen. Für den Transport wurden die Kanten der Elemente geschützt, für das Biwak wurde extra ein Hänger für die Dauer der Ausstellung adaptiert. Impressionen der Ausstellung in Reutte, Imst und Innsbruck. | Fotos: look! design (Rendering & Aufbaufotos), Simon Schöpf/berg’spektiven (Reutte und Imst), Alpine Convention (Innsbruck)

Und wo kommen Wanderausstellungen Indoor unter? Es gibt ja nicht in jedem Ort ein Museum mit ausreichend Platz für Sonderausstellungen?

Christin Grabner: Für eine Wanderausstellung benötigt es nicht zwangsläufig eine
(Museums-)Infrastruktur. Oft gibt es in Gemeinden tolle Räume, die bespielt werden können.

Bei der Ausstellung „Gewaltschutz on tour“ für den Verein der Frauenhäuser wurden beispielsweise Kulturhäusern der Gemeinden und Schulen genutzt. Bei dieser Ausstellung war es mehr eine planerische und logistische Herausforderung, wann die Ausstellung öffentlich zugänglich ist und wann nicht. Da diese Ausstellung nur mit Führung bzw. Fachpersonal zugänglich war, wurden vorher Besuchstage festgelegt. Über einen Buchungskalender konnten sich die Interessierten dann anmelden.

Wenn man eine Wanderausstellung starten möchte, was sollte man sich vorher überlegen? 

Christin Grabner: Wanderausstellungen bieten sich an, wenn man ein gesellschaftlich relevantes Thema „unter die Leute“ bringen möchte, wenn man ein breites Publikum in einem geografisch mehr oder weniger großen Raum erreichen möchte.

In jedem Fall ist es essenziell, die Zielgruppe zu kennen und geeignete Orte zu identifizieren. Nur so kann man die gewünschten Personen auch wirklich ansprechen.

Fragen, die man sich stellen sollte:
– Wen möchte ich erreichen?
– Wo erreiche ich diese Menschen?
– Wie viel Platz werde ich für die Ausstellung in etwa benötigen?
– Wo könnte ich solche Räume finden?
– Wie sind die Räume zugänglich? Gibt es jemanden vor Ort?
– Wann soll die Ausstellung zugänglich sein?
– Benötigt es eine Betreuung? Gibt es evtl. jemanden vor Ort?
– Muss die Ausstellung ohne Personal funktionieren?
– Soll es ein begleitendes Vermittlungsprogramm geben?

Und macht es einen Unterschied ob Indoor oder Outdoor? Wie plant man die Route?

Christin Grabner: Bei Outdoor-Ausstellungen sind noch andere Themen wichtig. Wird Strom benötigt? Wem gehört der Platz? Wie erhalte ich eine Einfahrts- sowie Auf- und Abbaugenehmigung? Was passiert bei Vandalismus etc.? Hier sollte man unbedingt mit einem erfahrenen Partner zusammenarbeiten, der sich für die gesamte Dauer der Ausstellung um diese Logistik kümmern.

Bei der Planung der Wanderroute sollte man gleich zu Beginn die Abfolge gut überlegen. Wie viel Zeit benötigen wir für Auf- und Abbau? Können wir direkt weiter zum nächsten Standort oder benötigen wir ggf. ein Zwischenlager? Haben wir dazwischen Zeit bei Bedarf Nachjustierungen durchzuführen?

All diese Dinge wirken sich aus! Raummiete, Transport-/Lagerkosten und auch der Ab-/Aufbau müssen einkalkuliert werden – leider wird hier schnell mal was vergessen.

Die Ausstellung „Gewaltschutz on Tour“ wurde an sieben Standorten in der Steiermark präsentiert. | Fotos: Adobe Stock (Farbpalette, Fotostil), look! design (Ausstellungsvisualisierung), Salon Deluxe (Ausstellungsfotos), Google (Karte)

Macht es für dich einen Unterschied, ob du eine herkömmliche oder eine wandernde Ausstellung konzipierst und gestaltest? 

Christin: Das macht einen großen Unterschied! Alleine schon in der Materialwahl und Ausführung! Eine Dauerausstellung wird oft für Jahre geplant, da müssen alle Ausstellungsmöbel sehr robust sein, um langfristig zu funktionieren.

Bei einer Wanderausstellung müssen die Elemente anders durchdacht sein – für den Transport dürfen sie oft nicht zu groß oder zu schwer sein. Gleichzeitig muss alles für das Handling stabil genug sein, damit mehrmaliges Auf- und Abbauen funktioniert. Bei der Konstruktion muss man bedenken, dass der Auf-/Abbau zügig vonstatten gehen muss, da zusätzliche Montage-Tage zusätzliche Saalmiete oder einen höheren Personalaufwand bedeuten.

Hinzu kommt unser Anspruch, dass die Ausstellung raumgreifend ist und einen Mehrwert bietet – eine Ausstellung aus simplen Rollups ist vielleicht günstig, schnell aufgebaut und leicht zu transportieren, das Raumerlebnis dafür enttäuschend gering.

Wie kann eine gleichbleibende Qualität an allen Standorten gewährleistet werden?

Christin Grabner: Wichtig ist, ein verlässliches Team zu haben, das über den Zeitraum der Ausstellung möglichst unverändert ist. Beim ersten Aufbau klären wir dann mit dem Auf-/Abbauteam alle Schritte und dokumentieren diese, sodass es an den weiteren Orten auch ohne uns funktionieren kann.

Ebenso produzieren wir Montageanleitungen, falls wir bei den weiteren Stationen nicht dabei sind. Wenn man im Vorfeld den Grundriss des Standortes hat und sich überlegen kann, wie sich die Ausstellung am besten platzieren lässt, ist die weitere Planung leichter.

Zu guter Letzt – und unumgänglich – gibt es eine Inventarliste mit einer Übersicht aller Elemente, der verbauten Technik, den interaktiven Elementen und dem nötigen Montage- & Begleitmaterial.

Das Team macht vor jedem Abbau einen „Kontrollgang“ und prüft, ob alles noch passt. Wenn etwas erneuert werden muss, können die Bausteine einzeln getauscht oder erneuert werden. Hierfür reservieren wir in der Planung bereits ein Budget.

An Hand von den zuletzt umgesetzten Projekten, was hat dir besonders Spaß gemacht?

Christin Grabner: Mir macht es viel Spaß neue Materialien und Konstruktionen auszuprobieren: Bei der Wanderausstellung für die Frauenhäuser wurden Doppelstegplatten, die ansonsten z.B. im Terrassenbau verwendet werden, eingesetzt. Hier war es spannend mit der Transparenz zu arbeiten und das richtige Verhältnis zwischen der Durchsicht und der Lesbarkeit der Texte zu finden. Die Aussage des Vereins Frauenhäuser Steiermark „Gewalt ist keine Privatsache“ hat mich hier auf das Material gebracht. Ich wollte mit der Materialwahl diese Grenze zwischen privatem Raum und Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen.

Besonders freut mich, wenn die Ausstellung dann tatsächlich unterwegs viele Menschen anspricht und wir positives Feeback vom Kunden und deren Besucher:innen zurückbekommen.

Die Krönung ist dann natürlich, wenn ein Projekt mit einem Award prämiert wird – wie zuletzt die Wanderausstellung der Frauenhäuser „Gewaltschutz on tour“. Die Ausstellung wurde beim IIID Award 2023 in der Kategorie „Social Design“ mit Silber und beim Green Panther 2023 in der Kategorie „Event“ mit Gold ausgezeichnet.

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